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„Tag der Heimat“ im Alten Rathaus

Bei Festakt der Situation der russlanddeutschen Siedler in der Sowjetunion gedacht

Deggendorf. (ad/da) Anlässlich des „Tags der Heimat“, der die Deportation der Deutschen in der Sowjetunion in den Blickpunkt rückt, konnte Oberbürgermeister Dr. Christian Moser gestern Nachmittag im Alten Rathaus neben den Stadträten Cornelia Wohlhüter, Oliver Antretter und Wolfgang Lorenz auch die Landsmannschaft Schlesien mit dem Ortsverband Hengersberg sowie die Sudetendeutsche Landsmannschaft Deggendorf und Hengersberg begrüßen.

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Als Siedler im 18. Jahrhundert gerufen, wurde der Sonderstatus der Deutschen in der Sowjetunion im 19. Jahrhundert schrittweise aufgehoben. Während des Ersten Weltkrieges machte sich antideutsche Stimmung breit. Nach der Oktoberrevolution waren1918 die Russlanddeutschen die erste Nationalität, die eine Autonomie in Sowjetrussland erhielt. Die Arbeitskommune der Wolgadeutschen – später die Autonome Sowjetrepublik der Wolgadeutschen – galt als Vorzeigeprojekt der sowjetischen Nationalitätenpolitik.

Mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion wurden die Russlanddeutschen kollektiv der Kollaboration mit den Angreifern und als „Fünfte Kolonne“ der Nationalsozialisten beschuldigt. Am 28. August 1941 erfolgte der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in der Wolgarayons wohnen“. Wie ein knappes Dutzend anderer Nationalitäten in der Sowjetunion wurden sie enteignet und nach Sibirien, in den Hohen Norden und nach Mittelasien und Kasachstan deportiert. Viele starben bei dieser Deportation. Männer und Frauen wurden häufig getrennt und mussten in der „Arbeitsarmee“ schuften. Bis 1964 waren die Deutschen in der Sowjetunion nicht gleichberechtigt. Auch nach Aufhebung des Beschlusses von 1941 durften sie nicht an die Wolga zurückkehren. Versuche, eine neue Autonomie in Kasachstan zu gründen, misslangen. Deshalb kam es zur Massenausreise aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts waren 2,5 Millionen Aussiedler in ihre historische Heimat zurückgekehrt. Viele ließen sich auch in Deggendorf nieder. Russland-deutsche Aussiedler stellen einen großen Anteil der evangelischen Kirchengemeinde.

Die evangelische Gemeinde und Organisationen in ihrem Umfeld – wie der 2010 gegründete Interkulturelle Verein Mostik (zu Deutsch: Brückchen) – haben großen Anteil an der Integration dieser Neubürger Deggendorfs.

Schriftstellerin Merle Hilbk brachte mit einem Vortrag und Stellen aus ihrem neuen Roman die Vergangenheit zurück: Sie rezitierte aus „Das schönste Dorf am schönsten Fluss der Erde  – Eine russlanddeutsche  Geschichte“.

Es ist die Geschichte einer Familie, die nach Russland auswandert und 200 Jahre später nach Deutschland zurückkehrt. Dazwischen liegen zwei Kriege, die Russische Revolution, die Sowjetunion und der Mauerfall. Ein Kriegsenkel-Roman aus zwei Ländern, der von Wurzelsuche, Scham und Sprachverwirrung handelt – und den Auswirkungen großer historischer Ereignisse auf das Familiengefüge, erzählt aus der deutschen und der russischen Enkel-Perspektive.

OB Moser dankte dem Verein Mostik für die stimmungsvolle musikalische Umrahmung und die kulinarische Aufmerksamkeit nach der Lesung. Vordem Stehempfang im Foyer sang man das Schlusslied „Kein schöner Land“.

Quelle: Donauanzeiger, 24. 9. 2016

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