Fünf Jahre Interkultureller Verein Mostik: Die ehemaligen „Aussiedler“ sind mitten in der Deggendorfer Gesellschaft angekommen – Vielfältige Aktivitäten und ein buntes Programm rund um die Fünf-Jahres-Feier
„Most ist das russische Wort für Brücke – und das -ik ist die Verkleinerungsform, also Brückchen“, erklärt „Mostik“-Vorsitzende Katharina Bakaev. Denn das genau will der gleichnamige Interkulturelle Verein sein: ein Brückchen – zwischen ihrer alten Heimat Russland und der neuen Heimat Deggendorf, zwischen Alteingesessenen und „Aussiedlern“, zwischen Generationen, Konfessionen und Kulturen…
Seit fünf Jahren gibt es dieses „Brückchen“ jetzt, und längst ist es zu einer tragfähigen Brücke geworden, die unzählige Male überschritten worden ist und die Distanz zwischen den Menschen schwinden lassen hat.
Chor, Musik-, Theater- und Tanzgruppe, seit neuestem auch eine eigene Jugendgruppe, Aktionen in Zusammenarbeit mit dem Kulturviertel, Auftritte beim Bunten Markt, in der evangelischen Kirche oder auf der Landesgartenschau: Mit vielfältigen Aktivitäten hat sich die russlanddeutsche Gemeinschaft in den letzten Jahren in Szene gesetzt, ausnahmslos positiv, wie Gottfried Rösch, evangelischer Pfarrer und Mostik-Vorstandsmitglied, unterstreicht. Die „Aussiedler“ der 90er Jahre seien mitten in der Deggendorfer Gesellschaft angekommen, aus eigener Kraft und auch deshalb, weil sie es geschafft haben, sich das Fremde vertraut zu machen ohne das Vertraute aufzugeben.
Jeder von uns trägt das Interkulturelle in sich
„Jeder von uns trägt das Interkulturelle in sich“, bekräftigt Mostik-Vorstandsmitglied Julia Urlacher. Das zu bewahren, sei auch Ziel von „Mostik“: „Die Kinder und Jugendlichen, die bereits hier zur Welt gekommen und aufgewachsen sind, sollen nicht vergessen, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen!“
Lena Miller, die Vorsitzende der jüngst gegründeten Mostik-Jugendgruppe, ist eine gebürtige Deggendorferin russlanddeutscher Herkunft. Sie spricht astreines Hochdeutsch, doch daheim, sagt sie, werde auch russisch geredet. Gemeinsam mit vielen anderen jungen Vereins-Mit- gliedern hat sie heuer eine zweiwöchige Reise nach Russland unternommen und dort vor allem beim Besuch an Schulen gemerkt, „dass wir dieselbe Kultur haben“.
Doch nicht nur für sich möchten die mehr als 70 Mostik-Mitglieder die Traditionen ihrer russischen Herkunftsländer pflegen und erhalten, sondern diese auch nach außen tragen. „Veranstaltungen wie unser jährliches Jolka-Fest vor Weihnachten finden auch bei echten Niederbayern große Resonanz“, betont Katharina Bakaev.
Auch heuer wird es den osteuropäischen Brauch der Jolka-Feier in Deggendorf geben – am 18., 19. und 20. Dezember kommt Väterchen Frost mit seiner Enkelin Snegurotschka in die Deggendorfer Martins-Schule und lädt in der Aula Kinder und Erwachsene verschiedener Nationalität zur einer zauberhaften Märchenreise mit Kostümen, Musik, Tanz und kleinen Präsenten ein.
„Natürlich zweisprachig – auf deutsch und russisch“, versichert Katharina Bakaev.
Gelegenheit, das Russische mit dem Deutschen bzw. Niederbayerischen zu verbinden, besteht allerdings schon am Freitag, 30. November. Im Rahmen der Aktivitäten zu „Fünf Jahre Mostik“ lädt der Verein an diesem Abend zusammen mit dem Stadtmuseum und der Laienspielberatung des Bezirks zur Theater-Aktion „Nachts im Deggendorfer Stadtmuseum“ ein“. „Kinder unseres Vereins spielen kleine Szenen aus der Stadtgeschichte“, verrät Gottfried Rösch: „Sie repräsentieren den Zuzug nach Deggendorf und zeigen, dass die Russlanddeutschen inzwischen ein Teil der Historie Deggendorfs sind!“
Und auch für seine evangelische Kirchengemeinde sind diese Russlanddeutschen nicht nur eine Randnotiz: Etwa zwei Drittel der Gemeindemitglieder, schätzt Rösch, seien russlanddeutscher Herkunft. Als äußerst fruchtbar und gewinnbringend erweise sich in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Mostik – das Engagement des Vereins sei in jeder Hinsicht vorbildlich.
Und so stellt Mostik dann auch seine Hauptveranstaltung zur Fünf-Jahres-Feier in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang: „Wanja auf der Suche nach dem Glück“ heißt die Bilderausstellung, die vom 2. November (Eröffnung um 17 Uhr) bis 4. November in der Stadtbibliothek gezeigt wird. Dem Frieden auf der ganzen Welt gewidmet, haben hierfür Kinder verschiedener Nationalität ihrer Vorstellung von Glück und Frieden bildhaft Ausdruck verliehen, unter den 150 Bildern der Wanderausstellung werden auch einige Werke Deggendorfer Kinder sein.
Neben dem Mostik-Nachwuchs hätten sich auch Flüchtlingskinder beteiligt, verrät Julia Urlacher und ist sich, ohne das Ergebnis vorwegzunehmen, sicher: „Die Sehnsüchte und Wünsche der Kinder im Hinblick auf das Glück sind überall dieselben, unabhängig von Nationalität und Herkunft!“
Sich über eben diese Wünsche austauschen können sich Deggendorfer Kinder und solche aus der Ost-Ukraine übrigens am Dienstag, 3. November: Um 14.30 Uhr gibt es eine Live-Schaltung nach Donetz. Auch Flüchtlingskinder, sagt Gottfried Rösch, seien zur Skype-Konferenz unter dem Motto „Meine Welt“ herzlich eingeladen.
Apropos Einladung: Was für die Jungen gilt, betrifft natürlich auch die Erwachsenen. „Am Reformationstag, dem 31. Oktober, begehen wir den fünften Mostik-Geburtstag mit einem Festgottesdienst um 14 Uhr, einer anschließenden Feier im Georg-Rörer-Haus und einem Festkonzert um 17 Uhr in der Auferstehungskirche“, sagt Pfarrer Gottfried Rösch. Gemeinsam mit Katharina Bakaev, Julia Urlacher und allen Mostik-Mitgliedern hoffe er auf viele Gäste – und das nicht nur aus den Reihen der Russlanddeutschen!
von Andrea Weidemann
Quelle: Deggendorfer Aktuell, 22.10.2015