Gäste erlebten evangelische Gemeinde als Ort des Miteinanders — Gesprächsrunden
Große Freude über die Gastfreundschaft und ein gelungenes Miteinander prägten einen Besuch von 50 Gästen aus Magdeburg und Torgau. darunter auch viel Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion, bei der evangelischen Kirchengemeinde. Zunächst wurde der byzantinische Ritus des Kloster Niederaltaich besucht, statt in der Kapeile fand der Gottesdienst in der St.-Nikolaus-Kirche statt, und es wurden slawische Gesänge in der Liturgie verwendet.
Pfarrer Hans Greulich begrüßte dann die Gäste in der evangelischen Gemeinde Deggendorf. Am Samstagvormittag gab es durch Impulse von Anna Zitlau und Pfarrer Gottfried Rösch intensiven Austausch in Gesprächsgruppen im Georg-Rörer-Haus. Deggendorfs neuer Integrations-Beauftragter Oliver Antretter erhielt dabei einen differenzierten Eindruck vom Zusammenleben in den evangelischen Kirchengemeinden und vom Lebensgefühl von Deutsehen aus der ehemaligen Sowjetunion.
Im Gespräch entwickelte sieh das Wort ,,Barrierefreiheit“: Wie offen sind Gruppen und auch Kirchen im Miteinander, oder inwiefern errichten Wir Barrieren, die jeweils anderen Zugang und Beteiligung erschweren? Viele Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion fühlen sieh in Deutschland sehr zuhause, wünschen sich aber ein stärkeres Gefühl der Zusammengehörigkeit.
,,Von Hiesigen manchmal auch ausgegrenzt”
Ein Teilnehmer betonte, wie gut sie doch 20 Jahre nach der Zuwanderung eingelebt und integriert seien – allerdings spüre er doch weiterhin, wie er von ,,Hiesigen“ manchmal auch ausgegrenzt werde. Andere betonten, dass viele mittlerweile zu den Leistungsträgern des Landes gehören, aber trotzdem eine Atmosphäre herrsche, bei der man seine Herkunft und Identität besser verstecken oder verdrängen solle.
Die meisten, relativ erfolgreichen Aussiedler gelten als einfach nur deutsch, bei Menschen mit auffälligen Problemen werde dann aber doch schnell des ,,Russische“ betont. Dabei gehöre doch gerade bei integrierten Menschen der ganze Anteil der Lebens- und Familiengeschichte mit dazu. Die Aufgabe bestehe nach Pfarrer Gottfried Rosch nun darin, die deutschen, europäischen Kirchen und Gesellschaften auch mit den jeweils eigenen mitgebrachten kulturellen und sonstigen Gaben zu bereichern, und auf diese Weise zur weiteren Öffnung und Zukunftsfähigkeit beizutragen.
Pfarrerin Christine Rothe aus Torgau betonte in der intensiven, musikalisehen Mittags-Andacht im Raum der Stille auf der Donaugartenschau dann die Zusammengehörigkeit zwischen Ost und West, wie sie gerade auch innerhalb Deutschlands noch weiter gepflegt werden kann. Gerade wenn es um Religion und Sozialismus geht, sind die Prägungen der ehemaligen DDR doch oft deutlich anders als in der früheren BRD. Auch hinzugekommene Gäste auf dem Gelände waren beim Singen gerne mit dabei.
Am Abend gab es dann ein großes Begegnungsfest im Georg-Rörer-Saal, das vom Interkulturellen Verein Mostik mit unterstützt wurde. Die abwechslungsreiche Musik zeigte die Vielfalt der Möglichkeiten, die sich im Mostik Verein nach nur drei Jahren entwickelt hat, und ließ 100 begeisterte Menschen in guter Stimmung zusammenkommen. Linedance-Kostproben der Parishdancers mit Gabi Stählin, Irina Andres und Julia Urlacher begeisterten das Publikuln, und vieles konnte noch gegenseitig vorgestellt und erzählt werden.
Elena Roth vom Mostik-Verein erzählte vom Anliegen, interkulturelle Kultur in Niederbayern zu unterstützen, und Elena Klein, aus einer lutherischen Gemeinde in Magdeburg und vom dortigen Verein Meridian, ermutigte dazu, die jeweils eigene Identität mit ihrem Potenzial aktiv in die Gesellschaft auch einzubringen.
Dass das Wochenende ein intensives Erlebnis wurde, lag laut Diakon Gottfried Rösch auch an der aktiven Offenheit vieler Deggendorfer. So wurden viele Gaste in Familien untergebracht, und ein großes ehrenamtliches Team um Lydia Doll bereitete ein Abendessen, für den Sonntag auch ein Mittagessen, und sorgte such sonst für einen reibungslosen Ablauf.
Im gemeinsamen Gottesdienst am Sonntag wurde dann auf Bayerisch, Deutsch, Russisch und Hebräisch gesungen. Pfarrer Greulich predigte über verschiedene Arten von Begegnungen, Pfarrerin Christine Rothe beschrieb das Leben aller Menschen als einen Pilgerweg. Dann lud sie die Deggendorfer zum Evangelischen Aussiedlertag am 13. September nach Glauchau in Sachsen ein, der unter dem Motto ,,Lebendige Brücken“ stehen wird. Nicht nur Aussiedler werden dort wieder einen intensiven gemeinsamen Tag erleben und die Begegnungen können dort weiter gehen.
Donau Anzeiger, 20.05.2014